Anspruch auf Buchauszug und Handelsvertreterausgleich als Kommissionsagent
Das OLG München hatte sich mit Urteil vom 20.12.2017 (Aktenzeichen: 7 U 260/17) mit den Fragen zu befassen, unter welchen rechtlichen Gesichtspunkten ein Kommissionsagenturverhältnis vorliegt, ob dem Kommissionsagenten überhaupt ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszuges sowie ein Handelsvertreterausgleich analog § 89b HGB zusteht. Hierzu hat das Gericht wie folgt festgestellt:
Für die Einordnung eines Vertriebsvertrages als Kommissionsagentur kommt es maßgeblich auf die vertraglichen Regelungen zwischen dem Prinzipal und dem Vertriebsmittler an. Das Außenverhältnis zwischen Vertriebsmittler und den Kunden ist für die vertragliche Einordnung nicht relevant.
Dem Kommissionsagenten kann ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB analog, ebenso ein Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gemäß § 89b HGB analog zustehen.
Handelsvertreterausgleich: Was Sie unbedingt beachten müssen!
Sachverhalt
Der Kläger betrieb auf der Grundlage jeweils gesonderter Verträge für die Beklagte mehrere Geschäfte, in denen Mode der Marke der Beklagten veräußert wurde. Nach der Vertragslage sollte der Kläger als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmer, jedoch auf Rechnung der Beklagten die Ladenflächen betreiben, die von der Beklagten angemietet worden waren. Der Kläger sollte insoweit auch nicht Untervermieter der Beklagten sein.
Als Vergütung für den Kläger waren eine Fixvergütung von € 1.000,- monatlich je Laden sowie eine Umsatzbeteiligung vorgesehen. Zudem erhielt der Kläger eine Pauschale von €°60,- je Monat und Laden für Büro- und Lagerkosten.
Im Gegenzug hatte der Kläger das Personal zu stellen und den Laden zu den vom jeweiligen Outlet Center vorgegebenen Öffnungszeiten offen zu halten. Die von der Beklagten vorgegebenen Kaufpreise durfte er nur mit Zustimmung der Beklagten ändern. Er hatte das Kassensystem der Beklagten und deren Warenwirtschaftssystem zu benutzen. Die Bareinnahmen hatte er auf ein Konto der Beklagten einzuzahlen. Die Kartenzahlungen liefen direkt auf ein Konto der Beklagten.
Die Beklagte kündigte die genannten Betreiberverträge ordentlich.
Mit seiner Klage hat der Kläger die Erteilung eines Buchauszugs und nachfolgend weitere Provisionszahlung (Stufenklage), die Zahlung eines Handelsvertreterausgleichs sowie die Erstattung vorgerichtlicher Kosten verlangt.
Bestehen eines Kommissionsagenturverhältnisses
Das Gericht hat die vertragliche Beziehung zwischen den Parteien als Kommissionsagenturverhältnis im Sinne von §§ 383ff. HGB eingeordnet und hierzu auf das Urteil des BGH vom 23.7.2016 (Az.: I ZR 229/13) verwiesen. Dort ist ein Kommissionsagenturverhältnis angenommen worden. Der hier zu entscheidende Fall wurde vom Gericht als gleichartig angesehen. Der dortige Kläger
- betrieb einen Sonderpostenmarkt
- als selbständiger Kaufmann
- in von der dortigen Beklagten angemieteten Räumen
- auf deren Rechnung;
- erhielt Provision, hatte aber davon die Löhne zu tragen;
- Kasseneinnahmen waren täglich abzurechnen und auf ein Konto der dortigen Beklagten einzuzahlen.
Zwar bestand keine reine Kommission wegen der Dauerhaftigkeit der Geschäftsbeziehung. Eine Handelsvertreterbeziehung war jedenfalls nicht anzunehmen, weil der dortige Kläger als Ladenbetreiber nach dem maßgeblichen Vertragsverhältnis nicht im fremden, sondern im eigenen Namen aufzutreten hatte. Er war auch nicht als Franchisenehmer zu behandeln, da er auf fremde Rechnung handelte und keine Gebühr für die Einbindung in das System zu entrichten hatte.
Nach diesen Erwägungen des BGH ist das Gericht für den vorliegenden Fall von einem Kommissionsagenturverhältnis ausgegangen, zumal der Kläger nach den für die Einordnung des Vertrages maßgeblichen Vertragsbestimmungen im Rahmen der Vertragsbeziehung als rechtlich und wirtschaftlich selbständiger Unternehmer tätig werden sollte.
Der Kläger war zudem durch Vorgabe der Preise, das vorinstallierte Kassensystem und die Einbindung in das Warenwirtschaftssystem in das Vertriebssystem der Beklagten eingebunden.
Der Kläger musste im eigenen Namen handeln, und war mit der Vermittlung und dem Abschluss von Geschäften auf Rechnung der Beklagten betraut. Dass es sich um Selbstbedienungsläden handelte, führte zu keiner abweichenden Beurteilung, weil der Vertrieb schon durch das Offenhalten der Geschäfte gewährleistet war.
Ob der Kläger eigene Arbeitnehmer oder Arbeitnehmer eines Dritten heranzog, war für seine Einstufung als Handelsvertreter oder Kommissionsagent nicht relevant.
Kommissionsagent hat Anspruch auf Buchauszug
Der BGH hat diese Frage bislang nicht entschieden. Nach der Entscheidung des Gerichts steht einem Kommissionsagenten jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden in analoger Anwendung des § 87c HGB ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs aus folgenden Gründen zu:
- Für den Tankstellenhalter ist anerkannt, dass ihm bei Vorliegen der sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Buchauszug zustehen kann (siehe BGH, Urteil vom 29.10.2008 – Az. VIII ZR 205/05).
- Die rechtliche und wirtschaftliche Stellung eines Kommissionsagenten, der Waren des Geschäftsherrn in den Räumen des Geschäftsherrn auf dessen Rechnung, nach dessen Vorgaben und unter Benutzung von dessen Kassensystem veräußert, ist derjenigen eines Tankstellenhalters vergleichbar.
- Ein Buchauszug dient dem Berechtigten zur Überprüfung der Abrechnungen des Geschäftsherrn. Dieses Bedürfnis nach Überprüfung besteht für den auf Provisionsbasis arbeitenden Ladenbetreiber gleichermaßen, unabhängig davon, ob er Kraftstoffe oder Modeartikel vertreibt.
- Der Anspruch des Tankstellenpächters auf Erteilung des Buchauszugs ist zwar dann erfüllt, wenn ihm von ihm selbst erstellte Kassenjournale vorliegen, aus denen sich chronologisch geordnet alle Angaben ergeben, die für die Provisionsberechnung erforderlich sind. Das wird grds. auch für den Anspruch des Kommissionsagenten genügen.
Das Kassensystem stammte vorliegend allerdings von der Beklagten, so dass die daraus ersichtlichen Informationen zunächst ihr vorliegen.
Letztlich wurde in dem Rechtsstreit vom Gericht festgestellt, dass dem Kläger nicht alle zur Überprüfung der Provisionsabrechnungen erforderlichen Unterlagen in der einem Buchauszug entsprechenden Form vorliegen.
Die Beklagte hatte die Erfüllung des klägerischen Anspruchs darzulegen und zu beweisen. Das bloße Bestreiten der tatsächlichen Voraussetzungen für die Nichterfüllung genügte nicht.
Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs war auch nicht durch die erteilten Provisionsabrechnungen eingetreten. Schließlich dient der Buchauszug gerade der Überprüfung der Provisionsabrechnungen.
Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs war der Beklagten auch nicht etwa unmöglich, weil dies mit hohem Aufwand verbunden sein mochte oder weil wegen der konkreten Durchführung des Geschäfts die meisten Kundennamen nicht vorliegen würden. Denn dem hat das Gericht dadurch Rechnung getragen, dass die Namen der Kunden nur „soweit vorhanden“ im Buchauszug aufzuführen sind. Die Angabe des Namens des jeweiligen Kunden ist nicht unbedingt zwingend für einen Buchauszug. Der Buchauszug hat vielmehr nur das zu enthalten, was zur Überprüfung der Provisionsabrechnungen erforderlich ist.
Bei dem anonymen Massengeschäft, welches der Kläger für Rechnung der Beklagten betrieben hat, erschienen dem Gericht die Kundennamen hierfür nicht zwingend erforderlich, zumal der Buchauszug nur der Überprüfung von Provisionsabrechnungen und nicht der Vorbereitung eines Handelsvertreterausgleichs dient.
Kontrollrechte und Provisionsabrechnungen im Handelsvertreterrecht
Kommissionagent kann Anspruch auf Handelsvertreterausgleich haben
Den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich hat das hier befasste Berufungsgericht zwar nicht konkret festgestellt, sondern die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Jedoch hat das Gericht richtungsweisend ausgeführt, dass dem Kläger als Kommissionsagent grundsätzlich ein Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB analog zustehen kann.
Die analoge Anwendung des § 89b HGB ist beim Kommissionsagenturvertrag (anders als beim Franchisevertrag und ähnlich wie beim Vertragshändler) vor allem dann gerechtfertigt, wenn
- der Kommissionsagent in die Absatzorganisation eingebunden ist,
- auf fremde Rechnung tätig wird und
- von daher einem Handelsvertreter vergleichbar erscheint (BGH, Urteil vom BGH 23.7.2016, Zz. 26 ff).
- Eine Pflicht zur Überlassung des Kundenstammes musste nicht vertraglich geregelt werden, weil sich dies bereits aus § 384 Abs. 2 HGB ergibt.
Für die tatsächliche Überlassung des Kundenstammes genügt es grundsätzlich, soweit die Beklagte während der Vertragslaufzeit die Daten erhalten hat, die sie für eine Übernahme des Kundenstammes benötigt. Zwar muss dies so geschehen, dass die Vorteile des Kundenstammes sofort und ohne weiteres nutzbar sind. Hier hat das Gericht genügen lassen, dass das das betriebene Ladengeschäft von der Beklagten angemietet wurde und diese die Geschäfte nach Vertragsende in diesen Räumen fortgeführt hat oder dies jedenfalls konnte und daher ein Zugriff auf die Stammkunden – soweit vorhanden – durch das verwendete Kassensystem der Beklagten auch möglich war.
Feststellung von Umsätzen mit Stammkunden/Mehrfachkunden
Maßgeblich für den Anspruch des Kommissionsagenten war weiterhin die Frage, ob die Klägerin überhaupt Stammkunden hatte. Denn für den Handelsvertreterausgleich kommt es auf die Feststellung der verbleibenden Unternehmervorteile aus der Geschäftsbeziehung mit neuen Kunden nach Beendigung des Vertrages an.
Hierzu hat das Berufungsgericht verlangt, denjenigen Umsatz konkret festzustellen, den der Kommissionsagent mit solchen Stammkunden im letzten Vertragsjahr erzielt hat. Relevant ist der Umsatz mit Mehrfachkunden, also diejenigen Kunden, die in einem überschaubaren Zeitraum, in dem üblicherweise mit Nachbestellungen zu rechnen ist, mehr als nur einmal ein Geschäft abgeschlossen worden ist. Wann ein Kunde hiernach als Stammkunde einzustufen ist, hängt vom Gegenstand des Geschäfts und den branchenüblichen Besonderheiten ab.
Das Gericht hat vorliegend einen Kunden als Stammkunden eingestuft, wenn dieser viermal im Jahr einkauft, weil die Beklagte vier jahreszeitabhängige Kollektionen vertrieben hat.
Feststellung der Stammkundenquote
Der Kläger hat seiner Darlegungslast Genüge getan, indem er eine Stammkundenquote von 60 Prozent behauptet und unter Sachverständigenbeweis gestellt hat. Hierbei hat er sich auf die Auswertung der mit EC- bzw. Kreditkarte erfolgten Zahlungen bezogen.
Dies wird als eine zulässige Methode zur Schätzung des Stammkundenanteils angesehen und macht unter Umständen ein Sachverständigengutachten entbehrlich.
Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.9.2007 – Az.: VIII ZR 194/06, Rz.37) kann durch Auswertung der Kartenzahlungsbelege, die die Kartennummer ausweisen, der Stammkundenanteil unter den Kartenzahlern in zulässiger Weise ermittelt werden. Das Gericht kann im Rahmen einer zulässigen Schätzmethode gemäß § 287 ZPO vom Stammkundenanteil der Kartenzahler mangels Anhaltspunkten dafür, dass Barzahler eine andere Einkaufsfrequenz als Kartenzahler aufweisen, auf den Stammkundenanteil in Bezug auf alle Kunden schließen.
Der Handelsvertreter kann vom Unternehmer hierüber Auskunft verlangen, wenn ihm diese Daten nicht vorliegen.
Auf der Grundlage einer so ermittelten Stammkundenquote kann als Ausgangspunkt für die Berechnung des Rohausgleichsbetrages auf die im letzten Vertragsjahr auf Stammkunden entfallende Provisionsanteile geschlossen werden.
Prognosezeitraum, Abwanderungsquote
das Gericht ging aufgrund der Schnelllebigkeit der Modebranche von einer Abwanderungsquote von 33% pro Jahr und damit einem Prognosezeitraum von 3 Jahren aus.
Abschlag für ersparte Aufwendungen
Unter Billigkeitsgesichtspunkten hat das Gericht ausgeführt, dass zwar grundsätzlich ein gewisser Abschlag für nach Vertragsende ersparte Aufwendungen, insbesondere ersparte Personalkosten des Klägers in Betracht kommt. Ein solcher Abschlag setzt jedoch voraus, dass die Tätigkeit des Vertriebsmittlers besonders personalintensiv gewesen sei. Der Abschlag dürfe nicht dazu führen, dass der Handelsvertreterausgleich nur aus dem Reingewinn berechnet werde. Nach diesen Grundsätzen hielt das Gericht einen Abschlag für ersparte Aufwendungen von maximal 20 Prozent für möglich. Auch einen Abschlag wegen der Sogwirkung der Marke war für das Gericht relevant.
Auskunft über Kartenzahlungen/ Vorbereitung Handelsvertreterausgleich
Soweit ein Berechtigter in entschuldbarer Weise über Bestehen und Umfang eines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderlichen Auskünfte unschwer geben kann, hat dieser einen Anspruch auf Auskunft gemäß § 242 BGB.
Ein derartiger Anspruch kann auch für den Handelsvertreter (bzw. entsprechend den Kommissionsagenten) zur Vorbereitung eines Anspruchs auf Handelsvertreterausgleich bestehen (vgl. Senatsurteile vom 14.9.2011 – OLG München, Aktenzeichen 7 U 1348/11, Rz. 14; vom 28.9.2011 – OLG München, Aktenzeichen 7 U 2019/11, Rz. 55).
Vorliegend hat das Gericht ausgeführt, dass für die Ermittlung des Handelsvertreterausgleichs die Feststellung der Stammkundenquote im letzten Geschäftsjahr erforderlich war.
Nachdem der Kläger diese Stammkundenquote schlüssig darlegen muss, hierzu jedoch aufgrund des Kassensystems der Beklagten nicht in der Lage war, hat er, insbesondere bei dem anonymen Massengeschäftes keine Möglichkeit, die Stammkundenquote mit eigenen Unterlagen zu belegen. Hingegen war die Beklagte in der Lage, die Stammkundenquote des Klägers zu ermitteln, weil sie über die Auswertungen der Kartenzahlungen verfügt und insofern den Anteil der Stamm-/ Mehrfachkunden ermitteln konnte. Dem Kläger wurde daher für diesen Fall ein Anspruch auf Auskunft zugebilligt.