Kein Zurückbehaltungsrecht gegen Buchauszug, Ergänzungsanspruch bei teilweiser Erfüllung

Das Oberlandesgericht München hatte sich mit der Stufenklage eines Handelsvertreters gegen ein Unternehmen zu befassen, in dem es über den Umfang des streitbefangenen Buchauszugs, das Recht des beklagten Unternehmens auf Zurückbehaltung des Buchauszugs wegen Gegenansprüchen, um Erfüllung des Buchauszugs durch Vorlage von Unterlagen und Ergänzung wegen Mängeln sowie um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung und die Nachforderung eines weiteren Buchauszugs zu entscheiden hatte (OLG München, Endurteil vom 17.4.2019 – 7 U 2711/18).

Sachverhalt

Ursprünglich hat der Handelsvertreter vom Unternehmen mit einer Stufenklage einen Buchauszug für einen abgegrenzten Zeitraum verlangt, der ihm durch das Landgericht München I mit Teilurteil zugesprochen wurde. In der nächsten Stufe hat der Handelsvertreter Zahlungsklage eingereicht sowie den Antrag auf Buchauszug auf einen weiteren Zeitraum erweitert. Das Unternehmen hat sich insbesondere auf ein Zurückbehaltungsrecht wegen Gegenansprüchen berufen und Erfüllung, Verjährung und Verwirkung eingewendet. Darüber hinaus hat das Unternehmen den Vertrag außerordentlich gekündigt, ohne jedoch zuvor eine Abmahnung auszusprechen.

Anspruch auf Erteilung Buchauszug und Ergänzung nach Urteil I. Instanz

Grundsätzlich steht dem Handelsvertreter ein Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs gemäß § 87c Abs. 2 HGB zu.

Es kommt jedoch darauf an, ob der Anspruch durch Übermittlung von Unterlagen bereits ganz oder teilweise erfolgt und insofern Erfüllung eingetreten ist. Soweit noch keine vollständige Erfüllung hinsichtlich einzelner Angaben eingetreten ist, hat der Handelsvertreter noch Anspruch auf Ergänzung des erteilten Buchauszuges.

Nach der Entscheidung des Gerichts kann der Handelsvertreter einen solchen Anspruch auf Ergänzung des Buchauszugs durch jederzeitige Klageerweiterung auch noch nach Erlass des Teilurteils im Rahmen der Berufung geltend machen.

Gemäß § 87c Abs. 2 HGB kann der Handelsvertreter einen Buchauszug über alle Geschäfte verlangen, für die ihm gemäß § 87 HGB Provision zusteht. Nach der zutreffenden Entscheidung des Gerichtes kommt es hierfür nicht darauf an, dass eine Pflicht zur Provisionszahlung feststeht. Eine Entscheidung über die etwa bestehende Provision wird für die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Buchauszug zusteht, nicht vorweggenommen. Lediglich klar nicht provisionspflichtige Geschäfte können bei der Erteilung des Buchauszugs unberücksichtigt bleiben.

Im streitgegenständlichen Fall war jedenfalls nicht klar, dass für bestimmte Geschäfte mit Bestandskunden keine Provision zu zahlen war. Schon aus der vereinbarten Bezirksvertretung hat sich für das Gericht ergeben, dass ein Anspruch auf Provision für sämtliche Geschäfte im Bezirk bestand.

An der Verpflichtung des Unternehmens zur Erteilung eines Buchauszuges hat auch deren Behauptung nichts geändert, die Parteien hätten vereinbart, dass Bestandskunden der Beklagten nicht von der Provisionspflicht betroffen seien. Die Geltung der Vereinbarung war streitig. Eine streitige Vereinbarung über die Provisionsausschluss genügt nach Auffassung des Gerichts nicht, um der Pflicht zur Erteilung des Buchauszugs zu entgehen.

Kontrollrechte und Provisionsabrechnungen im Handelsvertreterrecht

Anspruch auf Buchauszug zum Teil erloschen, Ergänzung wegen Mängel

Nach Auffassung des Gerichts war der Anspruch auf Buchauszug durch die Übermittlung von Anlagen im Laufe des Rechtsstreites zumindest teilweise gemäß § 362 Abs. 1 BGB erloschen.

Entscheidend hierfür war, dass die Aufstellungen des Unternehmens den formalen Anforderungen an einen Buchauszug im Grundsatz entsprochen haben.

Wegen der noch darin befindlichen Mängel (statt Bezeichnung der Gegenstände nur Artikelnummern; keine Daten der Vertragsabschlüsse; keine Angaben zu Stornierungsgründen und Nachbearbeitungsmaßnahmen; keine Angaben zu nach Vertragsschluss ausgeführten Geschäften, etc.) konnte der Handelsvertreter lediglich die Ergänzung des Buchauszugs verlangen (siehe dazu auch OLG Bamberg, Beschluss vom 27.5.2008 Az. 4 W68/07).

Kein Recht zur Zurückbehaltung des Buchauszugs wegen Gegenansprüchen

Dem Unternehmer steht gegen den Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung des Buchauszugs nach § 87c Abs. 2 HGB kein Zurückbehaltungsrecht wegen Gegenansprüchen zu (Hopt in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage, München 2018, Rdnr. 29 zu § 87 c HGB). Die bloße Untätigkeit des Handelsvertreters begründet zudem grundsätzlich noch keine Gegenansprüche.

Recht zur erneuten Forderung auf Erteilung eines Buchauszugs

Aus dem Umstand, dass der Handelsvertreter für einen früheren Zeitraum schon eine Verurteilung des Prinzipals zur Erteilung eines Buchauszugs erwirkt hat, lässt sich nicht herleiten, dass das Unternehmen nunmehr davon ausgehen darf, dass er keinen weiteren Buchauszug für einen anderen Zeitraum mehr erteilen muss.

Keine Verjährung des Buchauszugs mit Erteilung Provisionsabrechnung

Der Anspruch des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszuges war weder verjährt noch verwirkt.

Der Anspruch auf Erteilung eines Buchauszugs verjährt in der regelmäßigen Frist des 195 BGB. Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden, das heißt grundsätzlich fällig geworden ist und in dem der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

Für den Buchauszugsanspruch bedeutet das, dass die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres beginnt, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung über die diesem zustehende Provision erteilt hat, da der Buchauszugsanspruch in den Moment entsteht, in dem der Unternehmer dem Handelsvertreter eine abschließende Abrechnung erteilt (BGH, Urteil vom 3.8.2017, Az. VII ZR 3217; OLG München, Urteil vom 14.7.2016, Az. 23 U 3764/15). Erst ab diesem Zeitpunkt erhält der Handelsvertreter regelmäßig Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und kann beurteilen, ob es weiterer Auskünfte in Form des Buchauszugs zur Durchsetzung seines Provisionsanspruchs bedarf.

Nachdem im vorliegenden Fall Provisionsabrechnungen durch das Unternehmen nicht erfolgt sind, hat die Verjährungsfrist für den Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs nicht begonnen.

Keine Verwirkung des Buchauszugs

Der Anspruch auf Erteilung des Buchauszugs kann zwar bei Überschreitung einer zeitlichen Grenze verwirken. Auch dies war vorliegend nicht der Fall.

Ein Recht ist dann verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht (Zeitmoment) und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht in Zukunft nicht mehr geltend machen werde (Umstandsmoment).

Nach Auffassung des Gerichtes fehlte es schon am erforderlichen Umstandsmoment. Der Handelsvertreter hat vorliegend keinen Vertrauenstatbestand für das Unternehmen geschaffen, sodass sie etwa ein Vertrauen darauf fassen konnte, dass keine Maßnahmen vom Handelsvertreter mehr kämen.

Keine außerordentliche Kündigung ohne vorausgehende Abmahnung

Schließlich hatte das Gericht noch über die außerordentliche Kündigung des Vertrages durch das Unternehmen zu entscheiden.

Für eine die außerordentliche Kündigung des Handelsvertretervertrages vorbereitende Abmahnung genügt es nach der Begründung der Richter nicht, wenn das Unternehmen gegenüber dem Handelsvertreter immer wieder fernmündlich zum Ausdruck bringt, mit der Bearbeitung des Vertragsgebiets nicht zufrieden zu sein, und diesen ermahnt und auffordert, mehr zu tun als nur irgendwelche öffentliche Ausschreibungen von deutschen Unternehmen weiterzuleiten.

Das Unternehmen hat zwar den Handelsvertretervertrag außerordentlich gekündigt. Nach der Begründung des Gerichts wurde doch hierdurch der Handelsvertretervertrag jedoch nicht beendet.

Ein Unternehmen kann zwar gemäß § 89a HGB den Handelsvertretervertrag aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Die außerordentliche Kündigung setzt jedoch grundsätzlich sowohl im Leistungs- als auch im Vertrauensbereich eine vorherige Abmahnung des Handelsvertreters voraus (Baumbach/Hopt, HGB, 38. Auflage, München 2018, Rdnr. 10 zu § 89 a HGB). Eine solche Abmahnung soll dem Handelsvertreter darauf hinweisen, dass er vertragliche Pflichten verletzt hat und ihm für den Fall eines weiteren Vertragsverstoßes Konsequenzen drohen, damit der Gelegenheit erhält, das vertragswidrige Verhalten abzustellen und die Fortsetzung des Vertrages in Gefahr steht.

Das Unternehmen hat im Rechtsstreit lediglich vorgetragen, den Handelsvertreter ermahnt zu haben und dass es mit der Bearbeitung des Vertragsgebiets nicht zufrieden war. Es folgten Aufforderungen, mehr zu tun. Das Gericht hat darin keine für die Abmahnung erforderliche Rüge und Warnung gesehen, wie sie für eine Abmahnung vorausgesetzt wird.

Eine solche Abmahnung war auch ausnahmsweise nicht entbehrlich. Denn allein das Verlangen des Handelsvertreters auf Erteilung eines Buchauszugs führt nicht zur Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, sodass der Vertrag auch nach dem Buchauszugsverlangen fortzuführen ist und auch die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung dadurch nicht erweitert wird.