Kein Auskunftsanspruch des Vertriebspartners zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs gem. § 89 b HGB?

Das OLG Düsseldorf hatte darüber zu entscheiden, ob einem Vertragshändler ein Auskunftsanspruch gegenüber dem Lieferanten über die Unternehmervorteile zur Berechnung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB zusteht und dies mit Urteil vom 27.01.2017 (Az.: 16 U 171/15) verneint.

Nach dieser – in der Praxis umstrittenen – Entscheidung hat der Vertragshändler gegenüber dem Lieferanten zur Berechnung und Durchführung des Ausgleichsanspruchs nach § 89 b HGB analog nach beendetem Vertragshändlervertrag keinen Anspruch auf Auskunft über Unternehmervorteile in Gestalt von Deckungsbeiträgen, die dieser aus Geschäften mit dem Vertragshändler erzielt hat.

Ausgangslage Unternehmervorteile im Sinne des § 89 b HGB

Ein Vertragshändler kann nach Beendigung des Vertragshändlervertrages gegenüber dem Lieferanten oder Hersteller einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gemäß § 89 b HGB analog haben, wenn dieser ähnlich einem Handelsvertreter für den Lieferanten/ Hersteller tätig war. Siehe hierzu: Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers.

Nach § 89 b HGB setzt der Anspruch auf Ausgleich insbesondere voraus, dass dem Unternehmer (ggf. Lieferant oder Hersteller) aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Vertragshändler geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile („Unternehmervorteile“) verbleiben und die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter (oder Vertragshändler) aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht.

Seit langem – insbesondere nach der bis 2009 geltenden alten Fassung des § 89 b HGB – wurde der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters bzw. des Vertragshändlers auf Basis der Provisionsverluste in der Vergangenheit berechnet.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass die Begrenzung des Ausgleichsanspruchs der Höhe nach auf Provisionsverluste gemäß § 89b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 HGB gegen Art. 17 Abs. 2 a der Handelsvertreterrichtlinie verstößt und europarechtswidrig ist (Urteil vom 26.03.2009 – Aktenzeichen C-348/07).

Das EuGH-Urteil hat daraufhin zu einer Änderung des § 89 b HGB geführt. Provisionsverluste sind seitdem nur noch ein Billigkeitsmerkmal. Vielmehr können Ausgleichsansprüche auch dann bestehen, wenn gar keine Provisionsverluste anfallen. Selbst Verträge mit Einmalprovisionen würden infolge der Entscheidung des EUGH ausgleichspflichtig sein.

Dennoch haben die Gerichte auch nach der Gesetzesänderung die Berechnung des Ausgleichs auf Basis der Provisionsverluste bzw. der bereinigten Händlerrabatte durchgeführt, die der Handelsvertreter/ Vertragshändler in der Regel selbst zur Verfügung stehen, so dass er zur Berechnung des Ausgleichs grundsätzlich keine Auskunft verlangen muss.

In der Rechtsprechung ist jedoch nach wie vor höchstrichterlich nicht abschließend geklärt, wie die Unternehmervorteile im Sinne des § 89 b HGB zu berechnen sind.

Haben die Handelsvertreter/ Vertragshändler im Rechtsstreit nicht darlegt, dass die Unternehmervorteile höher sind als ihre Provisionsverluste, dann sind die Unternehmervorteile mit den Provisionsverlusten regelmäßig faktisch gleichgesetzt worden. Der Handelsvertreter konnte dann keinen höheren Ausgleich verlangen, als sich aus den Provisionen in der Vergangenheit (Basisjahr) und daraus geschätzten Provisionsverlusten in der Zukunft ergab.

  • Handelsvertreter kennen zwar die Provisionen, die sie aus den vermittelten Geschäften verdient haben. Daraus können Provisionsverluste geschätzt werden.
  • Welche Vorteile der Unternehmer aus den Geschäftsabschlüssen erwirbt, ist dem Handelsvertreter aber unbekannt.
  • Gleichermaßen kennt der Vertragshändler die Rabatte der Lieferanten und kann daraus seine Händlergewinne bzw. Rabattverluste berechnen, nicht hingegen die Unternehmervorteile seines Lieferanten.
  • Frage ist also, ob der Handelsvertreter/ Vertragshändler vom Unternehmer/ Lieferanten Auskunft über dessen Unternehmervorteile verlangen kann, weil er diese sonst selbst nicht beziffern kann.

Auskunftsanspruch gemäß § 242 BGB

Um einen höheren Ausgleich zu erzielen, haben Handelsvertreter und Vertragshändler daher zuweilen Auskunft über die vom Unternehmer erzielten Deckungsbeiträge verlangt, die diesen vor die Wahl gestellt haben, entweder seine interne Kalkulation und damit seine Geschäftsgeheimnisse preiszugeben oder einen Vergleich über einen angemessenen Ausgleich in Höhe des Höchstbetrags zu schließen.

Kein Auskunftsanspruch nach dem Urteil des OLG Düsseldorf

Das OLG Düsseldorf hat das Urteil des LG Düsseldorf aufgehoben und den allgemeinen Auskunftsanspruch des Vertragshändlers zurückgewiesen.

Nach der Entscheidung des OLG besteht für einen Auskunftsanspruch keine Rechtgrundlage.

Der Auskunftsanspruch kann auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) hergeleitet werden. Ein hierauf gestützter Auskunftsanspruch besteht nur, wenn der Berechtigte im Unklaren über seinen Anspruch ist, er sich die zur Vorbereitung und Durchführung seines Zahlungsanspruchs notwendigen Auskünfte nicht auf zumutbare Weise selbst beschaffen kann und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann.

Das OLG argumentiert, dass der Händler seinen Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB auf Basis seiner Provisionsverluste selbst ermitteln konnte und daher auf den gerichtlich geltend gemachten Auskunftsanspruch nicht angewiesen sei.

Zudem könne der Ausgleichsanspruch auch weiterhin nach der vom Bundesgerichtshof anerkannten Berechnungsmethode über die Ermittlung der Provisionsverluste des Händlers aus Geschäften mit Stammkunden im letzten Vertragsjahr berechnet werden.

Das OLG vertrat letztlich die Ansicht, dass sich weder aus der weder aus § 89 b HGB, noch aus der Handelsvertreterrichtlinie ergebe, dass der Ausgleichsanspruch auf der Grundlage des vom Lieferanten erzielten Deckungsbeitrages ermittelt werden müsste.

Auskunftsanspruch nach OLG nur bei Erhöhung der Provisionsverluste nach Treu und Glauben

Nach der Auffassung des OLG könne aber aus Billigkeitsgesichtspunkten eine Erhöhung des auf Basis der Provisionsverluste berechneten Ausgleichs möglich sein. In diesem Fall könnte ein Auskunftsanspruch bestehen.

Dazu müsste der Vertragshändler allerdings besondere Anhaltspunkte vorgetragen, wonach die Unternehmervorteile höher sein könnten, als die Provisionsverluste. Ein Vortrag des Händlers, wonach es lediglich theoretisch möglich sei, dass die Unternehmervorteile höher wären, genügt für den Auskunftsanspruch nicht.

Beurteilung der Rechtsprechung und Expertentipp:

Für Unternehmen wäre ein Anspruch des Handelsvertreters oder Händlers auf Erteilung einer Auskunft über die vom Unternehmer realisierten Deckungsbeiträge aus den vermittelten Verkäufen äußerst bedrohlich, weil sich daraus seine unternehmerische Kalkulation ergeben würde, die die ausscheidenden Handelsvertreter und Händler in Zukunft auch im Konkurrenzgeschäft nutzen könnten. Allein aus diesem Grund ist das Urteil des OLG Düsseldorf für Unternehmer von Vorteil.

Zu Gunsten von Handelsvertretern und Händlern hat das OLG allerdings darauf hingewiesen, dass ein Auskunftsanspruch aus Billigkeitsgründen grundsätzlich in Betracht kommen kann, so dass an dieser Stelle für die Unternehmer keine Entwarnung eintritt.

Nach unserer Auffassung wird diese Art der Entscheidung über den Auskunftsanspruch des Handelsvertreters/Vertragshändlers höchstrichterlich nicht standhalten können.

  1. Die Rohertragsmethode, mit der der Ausgleichsanspruch über die Provisionsverluste berechnet wird, hat weder nach der Rechtsprechung des EuGH, noch nach der Handelsvertreterrichtlinie oder nach dem anspruchsgebenden Wortlaut des § 89 b HGB eine unmittelbare Stütze, selbst wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Provisionsverluste nach Vertragsbeendigung zugleich auch Unternehmervorteile darstellen.
  2. Grundsätzlich ist einleuchtend, dass dem Unternehmer nach Abzug der zu zahlenden Provisionen bzw. Rabatte noch ein Unternehmervorteil verbleiben muss, weil der Unternehmer auf Gewinne abzielt und sich sein Geschäftsmodell nicht lediglich in der Bezahlung von Provisionen erschöpft.
  3. Bereits aus der Unterschiedlichkeit des Unternehmergewinns einerseits und der Provision andererseits wird sich der Höhe nach eine Differenz zwischen Unternehmervorteil und dem Provisionsverlust ergeben, die dem Handelsvertreter/Händler regelmäßig nicht bekannt sein kann, weil es sich hier um ein Geschäftsgeheimnis des Unternehmers handelt, wie er welchen Unternehmergewinn erzielt.
  4. Mangels Kenntnis oder Kenntnismöglichkeit muss dem Handelsvertreter/Händler ein Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben zustehen, um schon einen theoretisch möglichen Anspruch über die bloßen Provisionsverluste hinaus bis hin zum Höchstbetrag gemäß § 89 b Abs. 2 HGB begründen zu können. Das Verlangen des OLG nach dem Vortrag des Händlers hinsichtlich besonderer Umstände hierfür findet keine schlüssige Grundlage im Gesetz.
  5. Das Argument des OLG, wonach der Handelsvertreter/Händler seine Provisionsverluste berechnen könne und er daher nicht berechtigt sei, weitere Auskunft zu verlangen, kann dann nicht zutreffend sein, soweit der Handelsvertreter aus seinen Provisionsunterlagen selbst nur einen geringeren Ausgleich als den Höchstbetrag berechnen kann. Bleibt der Handelsvertreter/Händler bei der Berechnung des Ausgleichs nach der Rohertragsminderung unter dem Höchstbetrag, wäre es denkbar, dass er zumindest die Differenz zwischen Rohausgleich und Höchstbetrag verlangen könnte, wenn er höhere Deckungsbeiträge und damit die Unternehmervorteile aus den vermittelten Geschäften begründen könnte. Dieses Ergebnis wird er jedoch regelmäßig nur durch einen Auskunftsanspruch erlangen können, der ihm nach unserer Auffassung zumindest in den vorgenannten Fällen gemäß § 242 BGB zustehen dürfte, auch wenn ihm keine besonderen Umstände bekannt sind, die einen Anspruch über die Provisionsverluste hinaus konkret begründen könnten.
  6. Handelsvertreter/Händler, die nach der althergebrachten Rohertragsmethode (Ausgleichsberechnung über Provisionsverluste) lediglich einen geringeren Ausgleich als den Höchstbetrag nach § 89 b Abs. 2 HGB begründen können, sollten mit den oben genannten Argumenten nach wie vor den Anspruch auf Auskunft auf Unternehmervorteile/Deckungsbeiträge des Unternehmers im Wege der Stufenklage geltend machen, soweit eine außergerichtliche Einigung auf den Höchstbetrag nicht möglich ist.

Mitgeteilt von Achim Voigt, Spezialist für Handelsvertreterrecht, München