Kein Handelsvertreterausgleich bei vereinbarter Löschung der Kundendaten

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom  05.02.2015 (Az.: VII ZR 315/13) entschieden, dass dem Vertragshändler ein Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB – analog einem Handelsvertreter – nicht zusteht, wenn der Hersteller oder Lieferant nach der vertraglichen Vereinbarung verpflichtet ist, die ihm vom Vertragshändler überlassenen Kundendaten bei Beendigung des Vertrags zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen. Mit dieser Entscheidung hat der BGH seine bisherige Rechtsprechung nach dem Urteil vom 17.04.1996 (Az. VIII ZR 5/95) fortgeführt.

Grundsätze zum Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers

Vertragshändler können nach der Rechtsprechung des BGH dann einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB analog unter zwei Voraussetzungen geltend machen:

(1)   Der Vertragshändler muss in die Absatzorganisation des Herstellers/ Lieferanten so eingebunden sein, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang einem Handelsvertreter vergleichbar Aufgaben zu erfüllen hat. Das Vertragsverhältnis muss daher über eine bloße Verkäufer-Käufer-Beziehung hinausgehen.

(2)   Ferner muss der Vertragshändler verpflichtet sein, dem Hersteller/ Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, sodass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann

In der Praxis liegt regelmäßig eine Einbindung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation des Herstellers/ Lieferanten, ähnlich einem Handelsvertreter, in folgenden Fällen vor:

  • Verpflichtung zur Neukundenwerbung
  • Vereinbarung eines Konkurrenzverbotes
  • Benachrichtigungs- und Mitteilungspflichten im Sinne § 86 Abs. 2 HGB

Hingegen genügen für die Annahme der Einbindung in die Absatzorganisation regelmäßig nicht:

  • Alleinvertriebsrecht in einem bestimmten Gebiet
  • ausschließliche Bezugsverpflichtung sowie
  • die damit verbundene Verpflichtung, den Verkauf zu betreiben

Wann eine Verpflichtung zur Übertragung des Kundenstamms vorliegt, ist in der Praxis häufig umstritten, insbesondere weil diese Überlassungspflicht nicht ausdrücklich im Vertrag festgelegt sein muss und sich auch mittelbar aus der vertraglichen Vereinbarung ergeben kann.

Handelsvertreterausgleich: Was Sie unbedingt beachten müssen!

Der Fall

Der Vertragshändler hatte mit dem Hersteller einen Vertragshändlervertrag sowie eine gesonderte Vereinbarung zur Überlassung von Kundendaten für Zwecke der Kundenbetreuung und Marktforschung (nachfolgend: KBP-Vereinbarung) geschlossen. Nach Kündigung hat der Insolvenzverwalter des Vertragshändlers gegenüber dem Hersteller den Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gem. § 89b HGB geltend gemacht. Der Hersteller hat den Anspruch damit zurückgewiesen, dass die Unterzeichnung der KBP-Vereinbarung freiwillig sei und keine Voraussetzung für den Abschluss des Vertragshändlervertrags darstelle. Zudem habe sich der Hersteller nach der Vereinbarung dazu verpflichtet, die vom Händler überlassenen Daten zu sperren, ihre Nutzung einstellen und auf Verlangen des Händlers löschen. Eine Vereinbarung über den Ankauf der Kundendaten nach Beendigung des Vertragsverhältnisses kam auch nicht zustande.

Fehlen der Vertragspflicht zur Überlassung des Kundenstamms – kein Ausgleich

Nach den Feststellungen des BGH fehlt es in dem Vertragshändlervertrag an der für den Ausgleich notwendigen Vertragspflicht zur Überlassung des Kundenstamms nach Beendigung der Vertragsbeziehung.

Der BGH hat es nicht für ausreichend angesehen, dass der Vertragshändler Neufahrzeuge bei dem Hersteller unter Eigentumsvorbehalt gekauft und die gegen die Kunden bestehenden Kaufpreisforderungen im Voraus zur Sicherheit an den Hersteller abgetreten hat. Darin liegt keine Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller die Namen der Kunden mitzuteilen, die einen Neuwagen erworben haben. Dies, zumal keine Einzelabtretungserklärungen in Bezug auf die einzelnen Kunden, sondern eine globale Vorausabtretung der Kaufpreisansprüche an den Hersteller erfolgt ist und der Vertragshändler ohne Benennung der Kunden zur Einziehung der Kaufpreisansprüche für den Hersteller ermächtigt war.

Pflicht zur Auskunft begründet keine Überlassenpflicht

Die Verpflichtung des Vertragshändlers, dem Hersteller im Sicherungsfall die zur Geltendmachung der Forderung gegenüber dem Kunden nötige Auskunft zu erteilen, hat der BGH der für den Ausgleichsanspruch notwendigen Verpflichtung des Vertragshändlers zur Überlassung der Kundendaten nicht gleichgestellt. Denn der Hersteller erhalte hierdurch keine umfassende Kenntnis des vom Vertragshändler geworbenen Kundenstamms. Die Verpflichtung des Vertragshändlers zur Auskunftserteilung nach § 402 BGB besteht zudem nur dann, wenn der Vertragshändler seine Pflichten aus der Sicherungsvereinbarung schuldhaft verletzt und erst damit die Voraussetzungen erfüllt, nach denen der Hersteller die gestellte Sicherheit verwerten kann. Aus dieser mittelbaren Folge aus der Vertragsverletzung kann daher nicht die Verpflichtung zur Überlassung des Kundenstamms hergeleitet werden.

Auch die Verpflichtung des Vertragshändlers nach der geschlossenen KBP-Vereinbarung, dem Hersteller während des Vertragsverhältnisses sämtliche Kundendaten zu übermitteln, genügt nicht den vom BGH gestellten Voraussetzungen für den Ausgleichsanspruch. Denn der Hersteller sei aufgrund der KBP-Vereinbarung nicht in der Lage versetzt worden, die Kundendaten nach Beendigung der Vertragsbeziehung ohne weiteres für sich nutzbar zu machen. Dies begründet der BGH damit, dass der Hersteller mit Beendigung der Teilnahme des Vertragshändlers an der Kundenbetreuung nach der KBP-Vereinbarung verpflichtet gewesen sei, die überlassenen Daten zu sperren, ihre Nutzung einzustellen und auf Verlangen des Vertragshändlers zu löschen. Die Abgabe des bindenden Angebotes des Herstellers zum Ankauf der Kundendaten nach Vertragsende in der KBP-Vereinbarung führt nach dem BGH zu keiner abweichenden Beurteilung.

Auf das Verlangen des Vertragshändlers zur Löschung dieser gesperrten Daten, komme es nicht an, weil die Pflicht zur Sperrung bereits in der Vereinbarung niedergelegt war. Auch war es nach dem BGH nicht ausschlaggebend, dass der Hersteller nach Vertragsbeendigung bis zur Datenlöschung – vertragswidrig – tatsächlich auf die überlassenen Kundendaten zugreifen könne.