Vereinbarte Verrechnung des Ausgleichs gemäß § 89 b HGB und Provisionsrückzahlungsanspruch

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung vom 14.7.2016 (Az.: VII ZR 297/15) mit der Frage auseinandergesetzt, ob eine Regelung im Handelsvertretervertrag über die vereinbarte Anrechnung laufend zu zahlender Provisionen auf den künftigen Handelsvertreterausgleich wirksam ist.

Grundsätzlich verstoßen vertragliche Regelungen, mit denen eine Einschränkung des Handelsvertreterausgleichs vor Beendigung des Handelsvertretervertrags erfolgt, gegen die zwingende Vorschrift des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB und sind daher regelmäßig nach § 134 BGB nichtig.

Die Anrechnung von laufenden Provisionen auf den zukünftigen Handelsvertreterausgleich ist nach der Entscheidung des BGH nur dann rechtswirksam, wenn sich feststellen lässt, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten, als es dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Teils verbleibt.

Die Beweislast dafür, dass diese Voraussetzung vorliegt, trifft den Unternehmer.

Ist eine derartige Vertragsbestimmung hiernach nichtig, so ist der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Unternehmer geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen (Anschluss an BGH, Urteil vom 13. Januar 1972 – VII ZR 81/70, BGHZ 58, 60). (amtlicher Leitsatz).

Der Fall:

Der Kläger betreibt eine Versicherungsagentur. Die Beklagte ist Versicherungsvertreterin und hat mit der Klägerin einen Handelsvertretervertrag geschlossen. Der Kläger fordert von der Beklagten die Rückzahlung von Provisionen aufgrund der Stornierung von Versicherungsverträgen.

Vereinbarung der Anrechnung von Provisionen auf den Ausgleich

Der Handelsvertretervertrag enthält folgende Regelung:

„Zusätzlich zu den Provisionen erhält die Untervertretung eine Vorauszahlung von monatlich 200,- EUR auf einen evtl. fällig werdenden Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB). In den Fällen des § 89 b Abs. 3 HGB ist der Vorschuss von der Untervertretung zurückzuzahlen.“

Die Parteien haben einen Aufhebungsvertrag geschlossen, mit dem das Handelsvertreterverhältnis zum Monatsende enden sollte. In diesem Vertrag war unter anderem vereinbart:

„Aus der Vorauszahlung von monatlich € 200,- auf einen eventuell fällig werdenden Ausgleichsanspruch (§ 89 b HGB) erstattet Frau [= Beklagte] Herrn [= Kläger] €°1000,- auf das Konto… bei der …“

Nach Maßgabe des Aufhebungsvertrags hat die Beklagte an den Kläger auf die Gesamtforderung einen Teilbetrag in Höhe von 1.000 € zurückbezahlt. Der Kläger hat die restliche Rückzahlung der Provision gerichtlich eingefordert.

Das Berufungsgericht hat dem Anspruch des Kläger auf Rückzahlung von Provisionen teilweise mit der Begründung stattgegeben, dass der Kläger die gemäß Vertrag vereinbarten monatlichen Zusatzbeträge während der Vertragszeit nur als Vorschusszahlungen auf einen möglichen Ausgleichsanspruch der Beklagten nach § 89b HGB geleistet habe und der Beklagten als Ausgleichsanspruch nur ein Differenzbetrag zustehe, so dass die Differenz der Vorschusszahlungen zurückgezahlt werden sollte.

Vorschuss- oder Vorauszahlungen auf den künftigen Ausgleichsanspruch seien nach der Vereinbarung vor Beendigung des Handelsvertretervertrags sowie nach Vertragsende vor seiner endgültigen rechnerischen Ermittlung grundsätzlich jederzeit zulässig; solche Zahlungen seien dann zurück zu gewähren, soweit sich diese nachträglich als nicht geschuldet erweisen.

Keine wirksame Anrechnung auf Handelsvertreterausgleich, wenn Vergütungsbestandteile nicht differenzierbar

Der Begründung des Berufungsgerichts hat der BGH eine Absage erteilt: Zwar hat der BGH festgestellt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen durchaus ein Anspruch auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen besteht.

Entscheidend war für den BGH in dem zu entscheidenden Fall, dass nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Kläger geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen war, den die Beklagte behalten durfte.

  • Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt eine Vertragsbestimmung in einem Handelsvertretervertrag, wonach ein Teil der dem Handelsvertreter laufend zu zahlenden Vergütung auf den künftigen Ausgleichsanspruch angerechnet werden soll, im Zweifel gegen die zwingende Vorschrift des § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB und ist daher in der Regel gemäß § 134 BGB nichtig.
  • Eine solche Vertragsbestimmung ist nur dann rechtswirksam, wenn sich feststellen lässt, dass die Parteien auch ohne die Anrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten, als dies dem Teil der Gesamtvergütung entspricht, der nach Abzug des abredegemäß auf den Ausgleichsanspruch anzurechnenden Teils verbleibt.

Der BGH hat festgestellt, dass das Berufungsgericht die Wirksamkeit der Abrechnungsabrede im Rahmen des § 89b HGB nicht ausreichend geprüft und keine Feststellungen dazu getroffen hat, dass die Parteien ohne die Vergütung- und Abrechnungsabrede keine höhere Provision vereinbart hätten. Ebenso konnte der BGH nicht ausschließen, dass der zur Anrechnung vorgesehene Teil der Vergütung als vom Kläger geschuldeter Teil der Gesamtvergütung anzusehen war, den die Beklagte behalten durfte.

Keine zulässige Anrechnung bei Begrenzung des Handelsvertreterausgleichs der Höhe nach

Des Weiteren hat der BGH in dem zwischen den Parteien geschlossenen Aufhebungsvertrag eine nichtige Begrenzung der Höhe des Ausgleichsanspruchs gesehen, zumal sich die Beklagte dort zur Rückzahlung eines Teilbetrags verpflichtet hatte, der dem Handelsvertreterausgleich zuzurechnen war.

Denn nach dem Wortlaut beinhaltet die Vereinbarung eine teilweise Rückabwicklung von Zahlungen, die die Beklagte als Vorauszahlungen auf einen eventuell fällig werdenden Ausgleichsanspruch erhalten hat. Der BGH hat durch Auslegung des Aufhebungsvertrages ermittelt, dass nicht nur die geleisteten Zahlungen teilweise rückabgewickelt werden, sondern dass darüber hinaus eine abschließende Einigung über den Ausgleichsanspruch der Beklagten zum späteren Zeitpunkt der Vertragsbeendigung und dessen Höhe (€ 1.000,00) erfolgen sollte.

Eine solche Vereinbarung ist gemäß § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB jedoch nichtig, als mit ihr die Höhe des Ausgleichsanspruchs nach oben begrenzt wird.

Aufhebungsvertrag vor Vertragsende mit Begrenzung des Ausgleichsanspruchs nichtig

Gemäß § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB kann der Ausgleichsanspruch, der erst mit der rechtlichen Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses entsteht, nicht im Voraus ausgeschlossen werden. Damit verstoßen sowohl Vereinbarungen vor Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, durch die der Ausgleichsanspruch ganz ausgeschlossen wird, gegen das Gesetz. Auch Vereinbarungen, mit denen der Ausgleichsanspruch im Ergebnis mehr oder weniger eingeschränkt wird, sind gesetzeswidrig und damit nichtig.

Hinzu kommt hier, dass Vereinbarungen (Aufhebungsvertrag) mit Auswirkung auf den Ausgleich und/oder dessen Höhe auch dann nichtig sind, wenn die gleichzeitig vereinbarte Auflösung des Handelsvertretervertrags erst in einem späteren Zeitpunkt wirksam werden soll. Denn der Handelsvertreter soll durch § 89b Abs. 4 Satz 1 HGB vor der Gefahr bewahrt werden, sich aufgrund seiner wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Unternehmer auf ihn benachteiligende Abreden einzulassen. Nachdem eine solche Gefahr bis zum Ende des Vertragsverhältnisses andauert, genügt auch nicht, dass sich das Vertragsverhältnis seinem bereits bestimmten Ende nähert. Eine begrenzende Regelung über den Handelsvertreterausgleich in einem Aufhebungsvertrag genügt auch dann nicht, wenn dieser nur wenige Tage vor Beendigung des Vertragsverhältnisses getroffen wird.

Aus diesen Gründen hat der BGH die vertragliche Begrenzung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 134 BGB als nichtig angesehen.

Die Nichtigkeit der vertraglichen Regelung erstreckt sich auf den Teil, der den Ausgleichsanspruch der Höhe nach auf die Rückzahlung des Teilbetrags in Höhe von 1.000 € begrenzt hat, selbst wenn damit zugleich Ansprüche auf Rückzahlung von Provisionsvorschüssen erfasst waren.

Im Übrigen hat der BGH den Streitfall an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit weitere Feststellungen getroffen werden können. Dies betrifft zum einen die Prüfung, ob die Vertragsbestimmungen in dem Handelsvertretervertrag als Allgemeine Geschäftsbedingungen anzusehen sind. Ferner sollte durch Auslegung ermittelt werden, ob gegebenenfalls solche Allgemeine Geschäftsbedingungen eine Berechnung eines Teils der Rückzahlung ergeben können, der sich ausschließlich auf Vorschüsse und nicht auf den Handelsvertreterausgleich bezieht.

Expertentipp:

Anrechnungsklauseln in Handelsvertreterverträgen, die die Vorauserfüllung eines später möglichen Handelsvertreterausgleichs regeln, sind in der Praxis regelmäßig zu finden. Der Unternehmer erspart sich die Bildung von Rückstellungen und kann die Vorauszahlungen auf den Ausgleich als steuerliche Betriebsausgabe sofort abziehen. Der Handelsvertreter schützt sich mit solchen Vorauszahlungen vor dem Risiko der Insolvenz des Unternehmers.

Allerdings besteht bei solchen Anrechnungsklauseln die Gefahr der Begrenzung des Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b Abs. 4 S. 1 HGB und damit die Gefahr der Nichtigkeit. Unternehmer laufen Gefahr, dass bei später festgestellter Nichtigkeit von solchen Vorauszahlungen der zusätzliche Teil der Provision, der als Anzahlung auf den späteren Ausgleich gerechnet werden soll, als regulärer Teil der Gesamtvergütung angesehen wird und vom Handelsvertreter nicht mehr zurückverlangt werden kann. Eine Zahlung des Ausgleichs an den Handelsvertreter kommt dann noch hinzu, soweit die Voraussetzungen dafür vorliegen.

Der Ausschluss, die Beschränkung oder Begrenzung des Ausgleichs durch Formulierungen im Handelsvertretervertrag ist zur Vermeidung der Nichtigkeit zu unterlassen. Für die Gestaltung des Handelsvertretervertrags empfehlen wir daher vorab eine sorgfältige Analyse der Vergütungssituation sowie eine klare und differenzierte Formulierung der regulären Vergütung sowie dazu abgegrenzt der Zusatzvergütung, die ausschließlich auf den Ausgleich angerechnet werden soll.

Zudem ist Vorsicht bei Aufhebungsvereinbarungen geboten, die noch während des laufenden Handelsvertretervertrages geschlossen werden und mit denen zugleich der Anspruch und/oder die Höhe des Handelsvertreterausgleichs begrenzt wird.

Die Klausel über die Anrechnung/Verrechnung von laufend zu zahlende Vergütung auf einen Handelsvertreterausgleich sollte die nachfolgenden Kriterien der Rechtsprechung zwingend berücksichtigen:

  • Die Parteien hätten auch ohne die gegenständliche Vereinbarung der Anrechnung/Verrechnung keine höhere regelmäßige Provision vereinbart.
  • Die vereinbarte Gesamtvergütung muss deutlich über dem Branchenüblichen liegen.
  • Es sollten keine besonderen Umstände vorliegen, die einen Sachgrund für die Überschreitung des üblichen Provisionssatzes geben.
  • Eine Vereinbarung über die Anrechnung/Verrechnung zum Ende des Handelsvertretervertrags in einem Aufhebungsvertrag sollte entweder mit gleichzeitiger Beendigung oder erst nach rechtlicher Beendigung getroffen werden. Soll die Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden, ist eine ausgleichsbegrenzende Regelung unwirksam.
  • Ergänzung der vertraglichen Anrechnungsabrede, dass eine Begrenzung des Ausgleichs vermieden und dem Handelsvertreter die Geltendmachung eines höheren Anspruchs vorbehalten bleibt.

Einzelheiten zum Handelsvertretervertrag finden Sie hier.

Einzelheiten zum Handelsvertreterausgleich und Gestaltungsmöglichkeiten finden Sie hier.

Mitgeteilt von Achim Voigt, Rechtsanwalt und Spezialist im Handelsvertreterrecht, München